Coaching ist, zumindest in der Business-Welt, in aller Munde. Es hat sich etabliert, nicht nur für Führungskräfte, sondern auch für Angestellte in jeglicher Branche durch ein Coaching seine Persönlichkeit zu stärken oder Probleme und Herausforderungen im Arbeitsumfeld kritisch zu reflektieren und durch ein Coaching zu lösen.

Auch in Stellenausschreibungen finden wir bei den Benefits Coaching, das bei Eintreten in das Unternehmen in Anspruch genommen werden kann.

Und obwohl das Wort Coaching jedem in irgendeiner Form ein Begriff ist, so stellt sich doch schnell heraus, dass eben doch nicht ganz klar ist, was ein Coaching ist und was eben nicht. Kein Wunder, denn der Begriff Coaching ist nicht geschützt, sodass einfach jede Person das Recht hat sich als Coach bezeichnen zu können, ohne dafür auch nur irgendeine Qualifikation vorweisen zu müssen.

Und auch in der Werbung finden wir eher Darstellungen, die verwirren. Schon seit einiger Zeit flimmert häufig eine Werbung vom Finanzcoaching einer großen deutschen Vermögensberatung in unseren Fernsehern. Und ja, auch dieses Unternehmen hat sich auf die Fahne geschrieben, dass ihre Klienten gefördert werden. Ist es also das? Coaching ist irgendeine Art der Förderung?

Landläufig würden hier viele zustimmen. Denn auch das Bild des Coaches im Sportbereich ist uns sehr bekannt. Anstatt vom Trainer ist hier oft die Rede vom Coach, der seine Mannschaft zu Höchstleistungen antreibt, um den Sieg zu holen. Ich würde sagen: Nein!

Schauen wir uns also genauer an was hinter dem Begriff Coaching steckt und ob bzw. wie ich als Führungskraft auch ein Coach sein kann.

Coaching – was es ist

Zunächst einmal sei gesagt: Coaching ist ein Prozess- teilweise über auch über eine längere Zeitspanne. Aber es wäre fatal, wenn es zu einer langen Abhängigkeit zwischen Coach und Coachee kommt. Sowohl was den Coach und die finanzielle Seite angeht, als auch beim Coachee, der in seinem Handeln unabhängig und vor allem selbstständig bleiben muss. Kann dieser also keine Entscheidung mehr ohne seinen Coach alleine treffen, läuft definitiv etwas falsch.

Der Coachee bringt entweder eine konkrete Fragestellung oder eine für ihn gefühlt diffuse, berufliche Situation mit, die es in diesem Prozess zu beleuchten und zu klären gilt. Der Coach ist in seiner Rolle nun dafür verantwortlich den Coachee durch einen Prozess zu leiten. Dabei kann er eine ganze Reihe von Methoden und Tools anwenden, um das Problem konkret zu erfassen und zu benennen, ein konkretes Ziel zu formulieren und eine Maßnahmenplanung mit dem Coachee zu erarbeiten. In all dem ist der Coach, ich wiederhole es, verantwortlich für den Prozess. Und zwar alleinigst für den Prozess und keinesfalls für den Inhalt. Das bedeutet, dass der Coach sich inhaltlich komplett zurückhält. Diese inhaltliche Verantwortung, das Ergebnis obliegt wiederum komplett beim Hilfesuchenden. Warum?

Wenn wir von einem systemischen Coaching ausgehen, dann habe ich verschiedene Grundannahmen (mehr dazu im Artikel: „Systemisch Führen: wieder nur so ein moderner Management-Quatsch?“):

      1. Ich bin als Coach nicht in der Lage die Fülle und Komplexität der Gefühle, Gedanken, der äußeren Rahmenbedingungen meines Gegenübers zu erfassen, geschweige denn zu verstehen.
      2. Ich gehe davon aus, dass mein Gegenüber in der Lage ist sein Problem eigenständig zu lösen, auch wenn es dafür ggf. meine Hilfe durch Methoden, Fragetechniken o.ä. braucht. Der Ratsuchende kann für sich selber definieren, was SEINE, eigene individuelle Lösung ist und wie diese durch ihn selbst erreicht werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein, muss ggf. von einem Krankheitsbild ausgegangen werden.
      3. Ich habe zu den Zielen und dem Vorgehen meines Klienten eine Meinung. Das ist immer, und auf jeden Fall so, denn mein Gehirn gleicht ständig Wahrgenommenes mit meinen Erfahrungen und meinem Wertesystem ab. Dieses ist aber für mein Gegenüber in keinster Weise relevant. Manche Coaching-Schulen sprechen hier von einer asketischen Haltung des Coaches. Sollte mich der Coachee nach meiner Meinung fragen, kann ich diese kundtun, aber auch da ist Sensibilität gefragt, inwieweit dies meinem Gegenüber hilfreich ist.

Halten wir also fest:

Coaching ist eine Art Hilfe zur Selbsthilfe, indem der Coach dem Coachee dabei begleitet sein Ziel zu finden, zu fokussieren und einen geeigneten Weg zu planen. Dabei werden die Ressourcen des Coachees aktiviert, was die Selbstwahrnehmung stärkt. Mit Rückgriff auf die vorhandenen Ressourcen können Ziele und Wege konkret formuliert werden. Der Coach begleitet diesen Weg ggf. in Folgesitzungen.

Ein klassisches Coaching unterscheidet sich demnach auch von einem Fachcoaching. Ist das Vorgehen und die Methodik oft ähnlich, geht es beim Fachcoaching schon auch um das Liefern von Input, Aufzeigen von Schwachpunkten und blinden Flecken zu einem ganz bestimmten Themenschwerpunkt, wie Beispielsweise einem Bewerbungscoaching oder einer IT-Revision in einer Organisation.

Wenn Coaching vom Arbeitgeber beauftragt wird – ein schwieriger Dreieckskontrakt

Neben Privatpersonen mit beruflichen Anliegen, kommt es immer wieder vor, dass Arbeitgeber das Coaching ihrer Mitarbeiter beauftragen und finanzieren. Und auch hier gibt es Unterschiede: Steckt die Personalabteilung hinter dem Auftrag oder ist es die direkte Führungskraft des Coachees. Grundsätzlich stellt sich hier schnell die Frage: Was ist wirklich das Ziel der unterschiedlichen Parteien? Wer verfolgt und wer kommuniziert wem was?

Wenn man sich die verschiedenen Beziehungen noch mal genau ansieht, wird deutlich, dass es hier eine Reihe von Abhängigkeiten und Verpflichtungen gibt

  • Ist es der Coachee, der mit einem Anliegen auf einen Coach zugeht und, wie im ersten Absatz beschrieben, sein Problem angehen möchte?
  • Oder ist es das Unternehmen oder die Führungskraft, die den Mitarbeiter, gerne auch zu einem „externen“ Coach sendet? Denn auch da ist ein Anliegen oder ein Ziel mit verbunden.

Was ist das jeweilige Ziel?

Hat das Unternehmen vor, dass die Umfragewerte der Mitarbeiterbefragungen im Bezug des Umgangs der Führungskraft mit seinen Mitarbeitern besser wird, ist das grundsätzlich ein edles Vorhaben. Denn wer hat schon gerne einen cholerischen Chef, der womöglich in seiner Wortwahl immer mal wieder danebengreift und es sich so mit seinen Mitarbeitern verscherzt. Es bleibt dann also die Frage: Ist es auch das Ziel der Führungskraft, die als Coachee dieser Charakterformung nachkommen soll?

Möglicherweise wird der Coachee mit dem Coach besprechen, unter welchen Druck er steht, er wird berichten, dass er eigentlich gar nicht so aggressiv handeln möchte und er wird berichten, dass er zum Anfang seiner Kariere als Führungskraft besser darin war gut im Gespräch mit Mitarbeitern zu sein.

Das Ende vom Lied ist womöglich, dass die Führungskraft ein Sabbatical braucht, den Job kündigt oder einfach nur für sich so formuliert, dass sie ihr Verhalten so aufrechterhalten wird, sofern sein eigener Vorgesetzter nicht bereit ist den gleichen Charakterzug abzulegen.

Nun, das war sicherlich nicht der Auftrag, den die Führungskraft und der Coach erhalten haben. Und an dieser Stelle muss ein professioneller Coach sich dieser verzwickten Lage schnell bewusstwerden und möglicherweise schon im Vorfeld die Möglichkeiten und auch die Grenzen seiner Tätigkeit allen Parteien darstellen. Nur dann hat das Coaching die Möglichkeit zu gelingen und alle betroffenen Parteien zufrieden zu stellen.

Möchte das Unternehmen die eigenen Probleme auf einzelne Personen abwälzen?

Ein weiteres Problem, das sich häufig zeigt, ist die Beauftragung von Coaches durch das Unternehmen, welches darauf abzielt die Kompetenz- und Handlungsfähigkeit des Angestellten zu verbessern, obwohl die Problematik in der Organisation liegt. Heißt konkret, dass von oben gesagt wird die Führungskraft solle beispielsweise das eigene Zeitmanagement oder Fähigkeiten zu Delegieren oder „Nein“ zu sagen durch ein Coaching in den Griff bekommen. Die Problematik liegt dabei aber nicht unbedingt beim Coachee, also der Führungskraft, sondern vielmehr in der Organisation, die Missstände im Bereich der Prozesse, Strukturen und in der Unternehmenskultur aufweist, welche die Mitarbeitenden „ausbaden“ müssen. Und es erscheint natürlich sehr viel einfacher den einzelnen Mitarbeitern die Veränderung aufzuerlegen, als an eigenen großen Strukturen zu arbeiten.

Wer hier tiefer einsteigen möchte, insbesondere bei einer sauberen Auftragsklärung im Dreieckskontakt, dem sei an dieser Stelle der neu erschienene Artikel von Annika Squarra und Thomas Webers empfohlen („Auftragsklärung im Coaching – eine Multi-Stakeholder-Perspektive“, in „Coaching | Theorie und Praxis“ (CTP) des Springer-Verlages).

 Coach sein als Führungskraft – ist das wirklich möglich?

Wenn wir von den oben genannten Grundannahmen ausgehen, dann werden wir sehr schnell merken, dass es als Führungskraft nicht möglich ist in der Funktion eines Coaches für seine Mitarbeiter zu fungieren. Eine Führungskraft hat Ziele (vorgegeben) und „führt“ ihr Team, damit diese Ziele auch erreicht werden. Resultate sind zu erreichen. Und damit ist eine Führungskraft gegenüber seinen Angestellten NIE neutral. Denn die Führungskraft muss sich am Ende des Tages bewusstwerden, dass etwas anderes herauskommen könnte, als sie es eigentlich wollte. Die Ziele der Führungskraft sind evtl. andere als die des Mitarbeiters.

Abgesehen davon ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass sich der Mitarbeiter in einem Coaching nicht komplett öffnen wird. Dieser ist je nach Thema aufgefordert viel von sich, seiner Persönlichkeit, seinen Werten und Lebenszielen preis zu geben. Und dies ist gegenüber einer neutralen, unabhängigen Person etwas anderes als vor der eigenen Führungskraft, mit der man noch eine lange Zeit zusammenarbeiten möchte.

Als Führungskraft gleichzeitig Coach zu sein ist, wie wir festgestellt haben, wenig sinnvoll.

ABER

 

Etabliert sich dennoch eine Art von Coaching in den Unternehmen, die Führungskräfte gerne für ihre Teams nutzen und vermehrt nachgefragt wird. Hierbei geht es allerdings nicht um einen Coachingprozess im eigentlichen Sinne. Es geht dabei lediglich um das Anwenden von Coachingtechniken und Methoden, die dabei helfen, dass Mitarbeiter eigenverantwortlich Fragestellungen klären. Ziel ist also hierbei das Empowerment von Mitarbeitenden zu stärken. Durch Coachingtools kann gemeinschaftlich Neues entdeckt werden und dadurch die Verantwortlichkeit auf mehrere Schultern verteilt werden. Hat die Führungskraft vorher klar die Marschroute für das gesamte Team vorgegeben, lenkt sie eventuell nun lediglich den Prozess und das Team entscheidet selbst, wie es das Ziel erreichen möchte. Am Ende des Tages trägt die Führungskraft immer noch die Verantwortung des Ergebnisses, aber durch eine ganz andere Einbindung des Teams, durch Entscheidungsfreiheiten und Gestaltungsspielräume werden die Mitarbeitenden viel mehr eingebunden und motiviert.

Und damit macht es sehr viel Sinn, dass sich eine Führungskraft mit dem Thema auseinandersetzt:

  • Was ist Coaching?
  • Was ermöglicht es und was eben auch nicht?
  • Welche Tools und Methoden können mir als Führungskraft in der Zusammenarbeit mit meinem Team dienlich sein? Und wie und wo möchte ich diese einsetzen?

Wir möchten Ihnen einen Tipp geben, wie Sie Coachingansätze durch Fragetechniken entdecken und einsetzen können. Dieser Tipp ist eine Buchempfehlung, die wir wärmsten an Sie weitergeben möchten:

„The Coaching Habit. Reden Sie weniger & fragen Sie mehr. Wie Sie mit Fragen führen und dabei das Potenzial Ihrer Mitarbeiter entfesseln“ von Michael Bungay Stanier.

Wenn Sie die 7 Fragen, die Bungay Stanier definiert, zusammengefasst entdecken möchten, klicken Sie einfach hier.

* Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Artikel das generische Maskulinum verwendet. Die in dieser Arbeit verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.

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